Am 6. Oktober trafen sich an der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) Expertinnen und Experten der deutschen Automobilindustrie und unabhängiger Forschungsinstitute zum Thema Fahrzeugsicherheit. Das Meeting, das jährlich unter dem Namen „Berliner Erklärung zur Fahrzeugsicherheit“ stattfindet, geht auf eine Erklärung zurück, die erstmals 2011 in Berlin verfasst wurde und seither Initiative des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) ist. Heuer wurde die Veranstaltung von der THI und Prof. Dr.-Ing. Lothar Wech, Sprecher von CARISSMA, nach Ingolstadt geholt.
Die diesjährige Veranstaltung hat eine besondere Bedeutung. Denn 2020 läuft das bisherige Verkehrssicherheitsprogramm des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) aus, und das neue Programm für die Dekade von 2021 bis 2030 startet. Außerdem wurde im Weißbuch der EU, in der sogenannten „Vision Zero“, festgehalten, dass auf dem Weg zu nahezu null Verkehrstoten bis 2050 im Jahr 2020 eine Zwischenbilanz gezogen werden sollte. Auch wenn der Trend positiv ist, wird das Ziel, die Anzahl der Verkehrstoten in der EU bis zum Jahr 2020 gegenüber den Zahlen von 2010 zu halbieren, nicht erreicht werden.
Im Rahmen der Veranstaltung an der THI wurden verschiedene Vorträge gehalten. Prof. Dr. Walter Eichendorf vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) legte in seiner Keynote die Herausforderungen der künftigen Verkehrssicherheitsarbeit dar, wobei Rad- und Fußverkehr, elektrische Leichtfahrzeuge oder das automatisierte Fahren zentrale Rollen spielen. Prof. Dr.-Ing. Rodolfo Schöneburg (Mercedes-Benz AG), Sprecher der Sicherheitsinitiative, analysierte daraufhin die bisherigen Maßnahmen im Bereich der Fahrzeugsicherheit und machte auch einen Ausblick auf 2030 mit konkreten Vorschlägen zur Verbesserung der Situation. Ziel für die nächsten Jahre ist es demnach, im Rahmen der ‚Berliner Erklärung‘ eng mit dem DVR und dem BMVI zusammenzuarbeiten, um neben der Fahrzeugsicherheit auch die Infrastruktur und das Verhalten im Straßenverkehr weiter zu verbessern.
Die folgenden Impulsvorträge befassten sich mit aktuellen Themen der Verkehrssicherheit. Laut Dr. med. Wolfram Hell (Rechtsmedizin LMU) und Dr.-Ing. Matthias Kühn (GDV) lag der bisherige Schwerpunkt auf der Reduzierung der Anzahl der getöteten Unfallopfer, in der kommenden Dekade rücken auch die Schwerstverletzten in den Fokus der Prävention. Dipl.-Ing. Michael Fehring (Mercedes-Benz AG) zeigte auf, wie sich die Einführung neuer Fahrzeuge und Sicherheitssysteme auf die Verkehrssicherheit auswirkt: Während ältere PKW von vor 2001 mit geringerem Sicherheitspotential überproportional an der Zahl getöteter PKW-Insassen beteiligt sind, verfügen neue PKW über ein höheres Sicherheitspotential. Damit muss eine schnelle Marktdurchdringung heutiger Sicherheitssysteme das vorrangige Ziel sein. Prof. Wech (THI) betonte in seinem Vortrag, dass die Zunahme der E-Fahrzeuge in der nächsten Dekade zwar veränderte Gefahren mit sich bringt. Die Gefährdung durch das HV-Bordnetz kann allerdings durch Isolations-, Überwachungs- und Abschaltvorrichtungen auf ein Minimum reduziert werden. Auch weitere Aspekte wie die Geräuscharmut beim Anfahren oder das höhere Gewicht von E-Fahrzeugen müssen hierbei berücksichtigt werden. Damit ist davon auszugehen, dass sich die Verkehrssicherheit bei Zunahme von E-Fahrzeugen nicht verschlechtern wird.
Nach den Vorträgen nahmen alle Teilnehmer aktiv an einer Diskussionsrunde Teil, die von Prof. Dr. Steffen Müller (TU Berlin) moderiert wurde.
Die Reaktionen auf die Veranstaltung fielen unter den Teilnehmern durchwegs positiv aus: Die Vorträge wurden als sehr informativ und fachlich fundiert wahrgenommen. Und die Community war ausdrücklich froh, sich nach langer Corona-Zeit – zumindest teilweise – wieder einmal persönlich treffen und miteinander sprechen zu können. Dabei hatten an der Veranstaltung 38 Personen vor Ort teilgenommen, etwa 30 weitere Teilnehmer waren online zugeschaltet.