Über die Sommermonate konnten die Bauarbeiten am Gemeindehaus Real Lab im Projekt ÖkoFlussPlan in Kirgisistan erfolgreich weitergeführt werden. Das Hauptziel des Real Labs ist es, die Kombination von nachhaltiger Dämmung und erneuerbaren Heiztechnologien zu demonstrieren. Deshalb ist das Gebäude mit Schilfrohrmatten gedämmt. Zur nachhaltigen Wärmeversorgung wurde auf dem Dach des Gemeinschaftshauses erfolgreich eine thermische Solaranlage installiert, die Wärme für die Warmwasserbereitung und die Raumheizung erzeugt.
Das Institut für neue Energie-Systeme (InES) der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) ist verantwortlich für das Arbeitspaket 5 (Erneuerbare Energien) im Projekt ÖkoFlussPlan. Das Hauptziel dieses Arbeitspaketes ist es, praktikable Lösungen für die Integration Erneuerbarer Energien im ländlichen Kirgistan zu finden. Zusätzlich zum ursprünglichen Umfang des ÖkoFlussPlan-Projekts erweiterte die THI ihr Arbeitspaket um den Bau eines "Real Lab" - eines Gemeinschaftshauses. Dies soll die Nutzung nachhaltiger Energielösungen demonstrieren.
Das Real Lab verfolgt einen mehrdimensionalen Ansatz zur Verbreitung von Wissen und Bewusstsein über Erneuerbare Energien in den ländlichen Gebieten Kirgistans. Es ist ein 100 m² großes Gebäude, das in Ak-Tal, einem Dorf in der Region Naryn gebaut wird. Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit liegt dabei auf dem ganzheitlichen Wärmekonzept des Gebäudes.
Nachhaltige Wärmedämmung
Eigene Untersuchungen haben ergeben, dass viele Wohnhäuser im ländlichen Kirgistan nicht thermisch isoliert und in einem schlechten Zustand sind (siehe auch hier). Die veralteten baulichen Gegebenheiten und das Fehlen einer angemessenen Wärmedämmung führen zu einem hohen Wärmebedarf. Um sich in den Gebäuden aufhalten zu können, verwendet die Landbevölkerung in den Wintermonaten feste Heizbrennstoffe in traditionellen Heizöfen. Diese sind ineffizient und beheizen meist nur einen Teil des Gebäudes. Daher ist der thermische Komfort in diesen Häusern (verglichen mit unseren Gewohnheiten) gering oder anders gesagt es ist nicht gemütlich - im Winter nicht warm, im Sommer zu heiß. Es herrscht keine Wohlfühlatmosphäre. Durch bessere Dämmung des Gebäudes kann der Komfort jedoch erhöht werden.
Durch die Isolation des Gemeindehauses mit Schilfrohr konnte den Dorfbewohnern praxisnah eine Möglichkeit gezeigt werden, den Wärmebedarf nachhaltig zu reduzieren (siehe Abbildung 1). Großer Vorteil dabei ist, dass natürliche Rohstoffe, wie Schilfrohr oder insbesondere Stroh, ausreichend vor Ort vorhanden sind.
Nachhaltige Wärmeversorgung
In Kirgistan besteht durch eine intensive Sonneneinstrahlung und das kontinentale Klima ein hohes Potential zur Nutzung von Solarenergie. Verglichen zu Mitteleuropa ist dieses Potential 60 % höher, es wird im Moment aber kaum genutzt. Daher wurde das Real Lab mit einer thermischen Solaranlage für die Raumheizung und die Warmwasserbereitung ausgestattet (siehe Abbildung 2). In Zusammenarbeit mit dem Partnerunternehmen Citrin Solar wurden ein 1000 Liter Warmwasser-Speicher im Gebäude und fünf Kollektoren auf dem Dach installiert (vgl. Abbildung 3). Durch eine Unterkonstruktion auf dem Dach wird der Neigungswinkel der Kollektoren vergrößert und in den Wintermonaten, wenn die Sonne tiefer am Himmel steht, ein höherer Solarertrag erzielt. Aufgrund der klimatischen Bedingungen in Kirgistan ist eine spezielle Flüssigkeit für die Solaranlage erforderlich. Sie muss den frostigen Temperaturen im Winter standhalten, wo Temperaturen unter -20 °C keine Seltenheit sind.
Da die Solaranlage nicht in der Lage ist, den gesamten Wärmebedarf zu decken, wird das System mit einem hocheffizienten Ofen gekoppelt. Der in Kirgistan hergestellte Ofen hat eine Heizleistung von etwa 13 kW und eine integrierte Wassertasche. Mit dieser Wassertasche wird das Rauchgas gekühlt, wenn es daran vorbei strömt, das verbessert den Wirkungsgrad des Ofens deutlich. Außerdem ist es damit möglich, Ofen und Wärmespeicher zu kombinieren. Die an die Flüssigkeit abgegebene Wärme kann dann in dem Wärmespeicher zwischengespeichert und bei Bedarf an die Raumheizung abgegeben werden.
In der ungewohnten Arbeitsumgebung Zentralasiens konnten die THI-Mitarbeiter innerhalb weniger Tage die gesamte Verrohrung des Wärmeversorgungssystems installieren. Die Studenten des Bachelorstudiengangs Energiesysteme und Erneuerbare Energien Jean-Philippe Berndt, Philipp Boortz, Dominic Schmidtner und Felix Ulber waren Teil der Arbeitsgruppe. Sie alle haben vor ihrem Studium eine Berufsausbildung absolviert und konnten ihre praktischen Erfahrungen in dieses Forschungsprojekt einbringen.
Zukünftige Nutzung
Als Partner im Projekt ÖkoFlussPlan wird die Selbstverwaltung Ak-Tal das Gemeindezentrum über den Projektzeitraum hinaus nutzen. Um das Bewusstsein für die Vorteile von erneuerbaren Energien und Gebäudedämmung in der Gemeinde und den angrenzenden Regionen zu steigern, werden die Besuche im Real Lab für alle Interessierten kostenlos sein. Darüber hinaus kann das Gebäude auf verschiedene Weise von der Gemeinde genutzt werden, z.B. als Veranstaltungsort für Gemeindeversammlungen oder als Unterkunft für den örtlichen Kindergarten. Als akademischer Partner des Projektkonsortium wird die Staatliche Universität Naryn eine Schlüsselrolle bei der Wartung der technischen Komponenten im Real Lab einnehmen und die Verantwortung dafür übernehmen. Um den Nutzen zu maximieren, werden die Studenten der NSU an regelmäßigen Forschungsworkshops im Real Lab teilnehmen. Diese geben ihnen die Möglichkeit, ihr Wissen im Bereich der erneuerbaren Energien zu erweitern. Der Umfang der wissenschaftlichen Aktivitäten beschränkt sich jedoch nicht auf die Ausbildung vor Ort, sondern umfasst auch Forschungsaktivitäten sowie die Erstellung technischer Berichte, die Aufschluss über die Effizienz der installierten Energiesysteme im kirgisischen Klima geben.
Das Projekt ÖkoFlussPlan wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und ist 2019 gestartet. ÖkoFlussPlan ist Teil der BMBF-Initiative Client II.