Die Humanmedizin hat zwei Probleme, sagt Prof. Dr. Matthias Eckert. Zum einen werden die älteren Menschen, die medizinische Hilfe benötigen, immer mehr. Und zum anderen wird die Medizin immer komplexer. Ein Beispiel: Vor 30 Jahren brauchte es für einen Schlaganfallpatienten eine Ärtzin oder einen Arzt, eine Pflegefachkraft und ein Bett. Heute kümmert sich eine Armada aus Spezialisten um den Patienten. Operateure, diagnostische Instrumente, diverse Medikamente und eine wirkungsvolle Rehabilitation greifen ineinander. „Unser Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen“, so Eckert. Der 34-Jährige ist der erste Medizinier, den die Technische Hochschule Ingolstadt (THI) berufen hat. Zum Wintersemester ist er einer von 14 neuen Professorinnen und Professoren, die ihren Dienst antreten – eine neue Rekord-Einstellung.
Seinen Ruf an die Hochschule verknüpft der Facharzt für Radiologie mit einer konkreten Hoffnung: „Die Lösungen für die zukünftigen Herausforderungen unseres Gesundheitssystems sehe ich in der Automatisierung, Digitalisierung und Anwendung künstliche Intelligenz. In Zukunft sollen – ja müssen – Computer ärztliche Aufgaben übernehmen.“ Deswegen seien Studiengänge wie die der „Life Sciences“ die Zukunft. Sie sind die Schnittstelle zwischen Medizin und Informatik. Die THI hat vor einem Jahr mit den ersten beiden Studiengängen aus diesem Bereich begonnen: Bio-Electrical Engineering und Computational Life Sciences. Mit Beginn des Semesters ging der neue Studiengang Life Science Management an den Start und für das kommende Wintersemester plant die Fakultät Maschinenbau eine Ergänzung in Richtung Biomechanische Systeme.
Das Studienfeld „Life Sciences“ ist als Querschnittsthema über alle Fakultäten hinweg aufgebaut. „Unser Ziel sind dabei interdisziplinär gebildete Absolventinnen und Absolventen, die als Ingenieure, Informatiker oder Wirtschaftswissenschaftler eine fachspezifische Qualifizierung mit einer medizinischen Basisausbildung verbinden“, sagt THI-Präsident Prof. Dr. Walter Schober. Bis zum Jahr 2030 sollen in diesem Studienfeld rund 1.000 Studierende in Bachelorstudiengängen mit anschließenden Masterstudiengängen studieren.
Prof. Dr. Matthias Eckert kümmert sich in seinen Vorlesungen darum, dass sich die Studierenden später einmal auf einem hohen fachlichen Niveau mit einem Arzt unterhalten können. Anatomie, Physiologie, Mikrobiologie und Human-Pathologie lehrt der Radiologe. Letzteres stehe bei den Studierenden derzeit wegen Corona hoch im Kurs, wie er verrät. Je nach Studiengang geht es für die Studentinnen und Studenten dann noch dazu um die betriebswirtschaftliche Sicht auf das Medizinwesen oder die Technologien, die darin immer mehr Anwendung finden. Können bei einem Herzinfarkt-Patienten die Daten, die seine Smartwatch am Handgelenk gemessen hat, wie zum Beispiel Blutdruck und Herzfrequenz, direkt an den Arzt weitergeleitet werden und mit welcher Technik lassen sich diese überhaupt klinisch genau messen? Wie kann die Bildgebung von Computer Tomografen (CT) weiter verbessert werden? Und werden Roboter den Pflegenden von morgen schwere körperliche Aufgaben abnehmen können?
Während seiner Zeit am Klinikum in Ingolstadt arbeitete Prof. Dr. Matthias Eckert mit einem von sechs weltweiten Prototypen der Neuroradiologie. „Bei jedem Einsatz waren Informatiker und Ingenieure mit dabei, um praktische Erfahrung zu sammeln und den Prototypen zu verbessern“, erzählt Eckert. „Hier sehe ich in ein paar Jahren meine Studenten stehen.“ Sie sollen mithelfen, durch die Digitalisierung des Gesundheitswesens Prozesse effizienter zu gestalten und mehr Menschen den Zugang zu moderner Medizin ermöglichen.
Der technologische Fortschritt sei genau das, was wir jetzt brauchen, darin sind sich die Professoren der „Life Sciences“ einig. Neu dazu gestoßen sind in diesem Jahr Prof. Dr. Alexander Schuhmacher und Prof. Dr. Silke Wolfenstetter. Wolfenstetter ist Expertin für Digitalisierung im Gesundheitswesen aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Denn nicht nur in der klassischen Medizin, also zwischen Arzt und Patient, wird alles digitaler, sondern auch im Management, das dahinter steht – Stichwort elektronische Patientenakte oder E-Rezept. „Hier tut sich gerade sehr viel“, so die 46-Jährige.
Prof. Dr. Alexander Schuhmacher ist Experte für Pharma- und Biotechnologie. Die klassische Pharmakunde ist nur ein Teilbereich dessen, was er seinen Studentinnen und Studenten im Unterricht vermittelt: „Der wohl wichtigste Teil wird die sogenannte Genom-Editierung sein, molekularbiologische Techniken zur zielgerichteten Veränderung von DNA – und zwar nicht nur das Erbgut von Menschen, sondern auch das von Pflanzen und Tieren.“ Durch diese Genom-Editierung ergeben sich ganz neue Therapieansätze, zum Beispiel bei der Behandlung von Krebs oder chronischen Krankheiten.
Alle drei neuen THI-Professoren freuen sich auf die neue Aufgabe an der Hochschule. Prof. Dr. Matthias Eckert fasst es so zusammen: „Menschen zu helfen ist supertoll, aber Wissen zu teilen und damit einen noch breiteren positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft zu haben, ist fast noch besser.“
Kurzporträts der neu eingestellten Professoren:
Prof. Dr. Matthias Eckert lehrt als Professor für Medizin und Mikrobiologie in den Life Science Studiengängen der THI. Er ist Facharzt für Radiologie und besitzt eine umfangreiche klinische Expertise mit Schwerpunkt in der diagnostischen und interventionellen Radiologie. In seiner bisherigen Forschung befasste er sich mit der Softwareentwicklung kardialer CT-Diagnostik bei Siemens Corporate Research (Princeton, NJ, USA) und promovierte in der Flach-Detektor-CT-Bildgebung des akuten Schlaganfalls an der FAU-Erlangen. Nach seinem Studium der Humanmedizin an der LMU-München war er zuletzt als Facharzt im Klinikum Ingolstadt tätig.
Prof. Dr. Alexander Schuhmacher, ist Professor für Life Science Management an der THI Business School und war davor neun Jahre an der Hochschule Reutlingen Professor für Technologie- und Innovationsmanagement. Er ist Research Fellow des Instituts für Technologiemanagement (ITEM) an der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte sind R&D Models, Open Innovation, Artificial Intelligence im Kontext der Pharma- und Biotechindustrie. Vor seiner akademischen Karriere war Alexander Schuhmacher 14 Jahre in der Pharmaindustrie in unterschiedlichen Positionen tätig. Studiert hat er an den Universitäten Konstanz, Witten-Herdecke und St. Gallen.
Prof. Dr. Silke Wolfenstetter ist Professorin für Digital Health Management und Unternehmensorganisation an der Fakultät Business School. Vor ihrem Ruf an die THI arbeitete sie über sechs Jahre im Fachbereich Leistungs- und Gesundheitsmanagement bei der Allianz Privaten Krankenversicherungs-AG. In der Zeit bei der Allianz war sie neben ihren strategischen Führungsaufgaben als Referatsleiterin auch vielfach Leiterin von großen Projekten im Bereich Digitalisierung im Gesundheitswesen. Ferner hat sie Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg studiert und anschließend zehn Jahre am Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen am Helmholtz Zentrum München geforscht und gearbeitet. Hier hat sie promoviert, gelehrt, selbständig Ausschreibungen und Drittmittelanträge akquiriert sowie (inter)nationale Projekte mit Universitäten und mit Leistungserbringern aus dem Gesundheitswesen mit einem interdisziplinarischen Team geleitet.
- Forschungsprofessuren:
Prof. Dr. Jan Oliver Schwarz übernimmt die Forschungsprofessur für Strategic Foresight and Trend Analysis an der Fakultät Wirtschaftsingenieurswesen und lehrt im Masterstudiengang Global Foresight and Technology Management. Er studierte an den Universitäten Köln und Witten/Herdecke Wirtschaftswissenschaften, Futures Studies an der University of Stellenbosch in Südafrika und wurde an der Universität der Künste Berlin promoviert. Vor seinem Ruf an die THI war er Professor für Strategisches Management und Unternehmensführung an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen. Darüber hinaus hat er Erfahrungen in der Unternehmensberatung und der Versicherungswirtschaft gesammelt.
Prof. Dr.-Ing. Alexander Schönmann ist Forschungsprofessor für Technology Design and Application an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen und Leiter sowie Studiengangfachberater des Masterstudiengangs Global Foresight and Technology Management. Vor seinem Ruf an die THI arbeitete er mehrere Jahre in der Nutzfahrzeugindustrie, zuletzt als Projektleiter im Produktions- und Forschungsumfeld der E-Mobilität. Seine Dissertation verfasste er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der Technischen Universität München im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 768 „Zyklenmanagement von Innovationsprozessen – Verzahnte Entwicklung von Leistungsbündeln auf Basis technischer Produkte“. Dort war er unter anderem Leiter des Forschungsfelds Technologie- und Innovationsmanagement in der Produktion.
- Zwei neue Professuren für den Campus Neuburg:
Prof. Dr. Oliver Blask ist für die Bereiche Bauchemie und Baustofftechnologie berufen. Seine Forschungsschwerpunkte sind nachhaltige Bauprodukte und deren Resilienz gegenüber Umwelteinflüssen wie Frost, Chlorid Korrosion und anderen Einwirkungen sowie das Recycling von Beton. Nach einer 17-jährigen Industriekarriere in der Bauchemie unter anderem bei Sika Deutschland und zwei Jahren an der Universität in Karlsruhe (KIT) als Leiter der Baustoffchemie, folgte er dem Ruf an die THI. Prof. Dr. Oliver Blask wird hauptsächlich am Campus Neuburg tätig sein.
Prof. Dr. Julia Blasch beginnt am Campus Neuburg als Professorin für Umwelt- und Nachhaltigkeitsökonomik. In den Studiengängen Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement sowie Wirtschaftsingenieurwesen-Bau wird sie Vorlesungen insbesondere in volkswirtschaftlichen Fächern. Sie hat nach einem zweijährigen Grundstudium der Betriebswirtschaftslehre an der KU Eichstätt-Ingolstadt Volkswirtschaftslehre an der Universität Regensburg studiert und dort im Jahr 2006 als Diplom-Volkswirtin abgeschlossen. Nach dem Studium war sie zunächst Referentin für den Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) in Berlin, einem Gremium, das die deutsche Bundesregierung zu globalen Umweltthemen berät. Sie hat ihre Doktorarbeit in Umweltökonomie an der ETH Zürich angefertigt und war bis zuletzt Assistenzprofessorin an der Freien Universität Amsterdam in den Niederlanden, wo sie im Master-Studiengang 'Environment and Resource Management' unterrichtet hat.
- Weitere Professuren:
Prof. Dr. Stephan Huber lehrt im Fachgebiet Sensorik und Mikrosystemtechnik an der Fakultät Elektro- und Informationstechnik. Er studierte Physik an der Technischen Universität München (TUM). Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School legte er auch seine Promotion an der TUM ab. Dabei arbeitete er an der Elektronik-Entwicklung und an Algorithmen für Kernspinresonanz-Anwendungen. Anschließend wechselte er zur Firma Giesecke + Devrient. Dort war er in der Forschung und Entwicklung von Hochsicherheits-Banknotensensoren tätig.
Prof. Dr.-Ing. Michael Mecking übernimmt die Professur für Kommunikationstechnologien und Signalverarbeitung an der Fakultät Elektro- und Informationstechnik und lehrt derzeit in den Studiengängen Autonomous Vehicle Engineering und Robotik. Vor seinem Ruf an die THI war Michael Mecking bei der BMW AG in unterschiedlichen Management-Funktionen im In- und Ausland beschäftigt. Zuletzt war er als Abteilungsleiter in den Werken Regensburg und Oxford verantwortlich für die Absicherung und Integration der Elektrik/Elektronik-, Fahrdynamik- und Antriebs-Umfänge in die BMW und MINI Modelle. Sein Studium der Elektrotechnik absolvierte Michael Mecking an der Universität Karlsruhe sowie am Imperial College London. Er promovierte auf dem Gebiet der Informationstheorie an der TU München, wo er für mehrere Jahre zu diesem Thema Vorlesungen im Rahmen eines Lehrauftrags hielt.
Prof. Dr. Florian Huber, ist als Professor für Entrepreneurship und Digital Business an die THI Business School berufen. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Deggendorf, der Kansai Gaidai University (Japan), der Hochschule München und der Edinburgh Napier University, an der er 2017 auch promovierte. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit dem Thema „Entrepreneurial Design Thinking Teams”. Zudem war er in der akademischen Lehre aktiv – zuerst als Programmleiter des Academic Program for Entrepreneurship am Strascheg Center for Entrepreneurship der Hochschule München und später als Lehrbeauftragter für Business Innovation an der Universität St. Gallen. Vor seiner Berufung an die THI hatte Florian Huber verschiedene Führungspositionen beim Design- und Innovationsstudio IXDS und später im Experience Design Team von PricewaterhouseCoopers Deutschland inne.
Prof. Dr. Oliver Gmelch ist Professor für Digital Business und IT-Management an der Fakultät Business School. Er war bereits seit 2017 als Lehrbeauftragter an der THI tätig. Nach beruflichen Stationen im Bereich IT-Transformationen und eCommerce war er zuletzt im Bereich Informationssicherheit als Chief Information Security Officer (CISO) für die intive GmbH tätig. Zuvor war er Senior Consultant bei Senacor Technologies AG, insbesondere im Banking-Bereich, und Gründer und Prokurist der eCommerce-Agentur Sysgrade GmbH. Gmelch studierte Wirtschaftsinformatik an der Universität Regensburg und wurde dort auf dem Gebiet der Networked Enterprises promoviert.
Prof. Dr. Michael Jungbluth ist Professor an der THI Business School für das Lehrgebiet Artificial Intelligence in Consumer Commerce. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Corvinus Universität Budapest und promovierte über Wettbewerbsstrukturen im Handel. Anschließend war er als Berater für analytisches CRM bei der Bertelsmann SE & Co. KGaA und im DACH Management der Customer Intelligence Practice des SAS Institutes tätig. Prof. Dr. Jungbluth konzipierte und lieferte anspruchsvolle Kundenmanagementlösungen für führende Handelsunternehmen und Finanzdienstleister. Daran anknüpfend, forscht er zu empirischen Anwendungsfällen künstlicher Intelligenz zur verbesserten Ausgestaltung von Kundenbeziehungen.
Prof. Dr. Max Krüger übernimmt die Professur für Angewandte Mathematik an der Fakultät Informatik. Er studierte an der Universität der Bundeswehr München Informatik mit Nebenfach Operations Research, promovierte dort zu einem Thema aus der mathematischen Spieltheorie und hat Mathematik in einem berufsbegleitendenden Studium vertieft. Zuerst arbeitete er als Softwareingenieur im IT-Systemhaus der Marine in Wilhelmshaven, bevor er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Daten- und Informationsfusion bei der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH in Ottobrunn tätig wurde. Vor seinem Ruf an die THI lehrte und forschte er als Professor für Mathematik und Informatik an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Furtwangen.
Prof. Dr. Michael Jarschel verstärkt das Team der Fakultät Informatik als Professor für Kommunikationsnetze und Cybersicherheit. Der Gegenstand seiner Promotion an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg waren die Leistungsbewertung und Anwendungsmöglichkeiten des seinerzeit neuen Paradigmas Software-Defined Networking. Vor seinem Wechsel an die THI arbeitete er als Senior Research Engineer in der Forschungsabteilung von Nokia bzw. Nokia Bell Labs im Bereich Cloud-Computing für Telekommunikation (Telco Cloud), Edge Computing, u.a. für Anwendungen im Fahrzeugumfeld, sowie Hardware Acceleration im Kontext von 5G Mobilfunknetzen und O-RAN.